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Am 26. Mai 1993 hat uns der liebe Gott einen Engel geschickt. Der Engel war ein Prachtstück: 54 cm lang, 4670 g schwer, lange schwarze Haare und einfach süß anzusehen. Es war als hätte unsere Tochter Anna nach 3 Jahren eine Zwillingsschwester bekommen, so gleich waren die beiden. Wir nannten unseren Engel Maria.

Maria entwickelte sich prächtig, mit 6 Wochen hatte sie schon 6 kg, mit 4 Monaten fast 8 kg, und genauso schnell wie sie zugenommen hat, ist sie auch gewachsen. Sie war zwar sehr anstrengend, weil sie immer Hunger hatte, doch kaum war sie satt, da war die Welt wieder in Ordnung. Sie hielt mich in Trab und so wurde sie 1 Jahr alt. Inzwischen war sie blond geworden, wie es sich für einen richtigen Engel gehört. Ihre ersten Schritte machte sie erst mit 14 Monaten, doch auch vorher erreichte sie alles was sie sich in den Kopf gesetzt hatte.

Auch das zweite und dritte Lebensjahr brachten außer einer Menge Spaß und Freude nichts besonders mit sich. Im Sommer fiel mir zum ersten Mal auf, dass sie nicht richtig auf ihren Füßen stand, und so ging ich zum Orthopäden. Er sagte, mit diesem Alter wäre das völlig normal und würde sich von selbst erledigen. Wir sollten nur öfter auf Zehenspitzen gehen., das würde die Haltung der Füße positiv beeinflussen. So gingen wir denn auf Zehenspitzen so oft es mir nur einfiel, und es machte ihr zum Glück Spaß. Drei Monate später suchte ich einen anderen Orthopäden auf, da ich nicht glauben wollte, dass sie wirklich keinerlei Einlagen benötigen würde. Dieser verschrieb sie, und auch orthopädische Schuhe. Ich war zufrieden und die Sache war für mich erledigt.

Maria wurde drei Jahre alt. Ihr Freund Vinzenz war ihr im vergangenen Winter plötzlich über den Kopf gewachsen.Es beunruhigte mich aber überhaupt nicht, auch nicht, dass Anna mit 3 Jahren schon um 12 cm größer war. Sie könnten schließlich nicht ganz gleich sein, und außerdem wachsen Kinder manchmal ja auch schubweise. Maria war immer ein riesiges Kind, der nächste Schub würde schon kommen. Wir witzelten noch „Ihre Schuhgröße lässt noch auf einiges schließen“, lachten wir, „die wird einmal groß werden!“ Außerdem stellte ich noch fest, dass sie offensichtlich meine X-Beine geerbt hatte.Und so verbrachten wir auch diesen Sommer nichtsahnend mit unseren beiden „pumperlgesunden“ Kindern sehr fröhlich. Wir wanderten, kletterten auf Bergen herum und erfrischten uns anschließend beim Baden im See ..Wir fuhren ans Meer, und unsere Mädchen waren sehr glücklich.

Mitte August kam dann aus heiterem Himmel der Schock meines Lebens. Jemand hob Maria zufällig aus der Schaukel und bemerkte, dass sie so eigenartige Rippen hat. Das war mir natürlich schon längst aufgefallen, denn diese Rippen hatte sie schon als Baby. Ich hatte auch alle unsere Ärzte immer wieder gefragt, warum sie denn so komische Rippen hätte, doch alle haben mich beruhigt mit „das gibt´s, das sind Flügelrippen“, oder „das verwächst sich mit der Zeit“,…Nun kam der Verdacht auf, sie sei rachitisch! „Blödsinn“ dachte ich, „sie kann überhaupt nicht Rachitis haben, erstens hat sie immer die Vitamin D-Tropfen bekommen, zweitens ist sie immer an der frischen Luft, da kann das nicht sein.“ Aber andererseits war mir natürlich auch nicht entgangen, dass sich ihre Handgelenke verformten, und so packte ich Maria auf der Stelle ins Auto und fuhr nach Grieskirchen zu unserem Kinderarzt. Ich möchte Herrn Prim. Dr. Gruber an dieser Stelle ganz herzlich danken, er ist wirklich immer für uns da und er hat mich auch damals, als ich spät abends dastand und von ihm eine Blutuntersuchung verlangte, weil ich plötzlich von dem Gedanken besessen war, Marias Körper könnte vielleicht das Vitamin D nicht verarbeiten, nicht für verrückt erklärt.

Er hat zwar gesagt, dass er das nicht glaube, aber er begann mit den Untersuchungen. Ich sagte ihm: „Herr Doktor, bitte schauen Sie Maria doch einmal an: Irgend etwas hat sie, irgend etwas ist nicht normal, der Oberarm kommt mir auch zu kurz vor, irgendwie stimmen die Proportionen nicht. Die Füße wachsen, sie braucht dauernd neue Schuhe, selbst bleibt sie aber klein. Kann es nicht sein, dass sie kleinwüchsig ist?“ Ich erinnere mich an jedes Wort dieses Gespräches, es war plötzlich, als gingen mir die Augen auf, vielleicht auch nur der Mund, denn gesehen hatte ich die seltsamen Veränderungen ja, nur wahrhaben wollte ich sie nicht. Dr. Gruber sah sie an, nickte und sagte: „Jetzt schauen wir erst einmal!“ Da wusste ich, ich habe recht, es ist was Tragisches. Am nächsten Tag waren wir schon im Krankenhaus und Maria wurde von Kopf bis Fuß geröntgt.

Das Ergebnis war katastrophal. Maria hat kaum einen normalen Knochen. Ihre Rippen schauen aus wie Ruderblätter, ihre Wirbel sind flach und zackig, ihre Fingerknochen laufen spitz zu, einer der wichtigsten Knochen der Halswirbelsäule fehlt überhaupt, und und und….Verdacht auf entweder Mukopolysaccharidose oder eine Osteochondrodistrophie, beides klang sehr spanisch für mich. Zur genaueren Abklärung wollte Herr Dr. Gruber die Röntgenbilder noch am selben Wochenende einem Arzt in Innsbruck zeigen.Eine schreckliche Zeit des Wartens begann. Maria hat eine furchtbare Krankheit und ich wusste nicht einmal was. Mukopolysaccharidose ist eine Stoffwechselkrankheit und unheilbar, so viel hatte ich noch erfahren.

Wir fuhren noch am Tag der Röntgenaufnahmen weg auf eine Familienfreizeit auf Schloss Klaus. Ich war in Tränen aufgelöst, wollte mir aber keinesfalls etwas anmerken lassen. Das ist mir nicht gelungen, denn als mich ein Freund mit den Worten „Ist die lieb, und so groß ist sie auch schon geworden“ begrüßte, da war es mit meiner Beherrschung nicht mehr weit her. Die Gruppe war wahnsinnig lieb und hat für den Abend gleich einen Gebetskreis organisiert, wo dann intensiv für Maria gebetet wurde. Ich hab zwar die ganze Zeit durchgeheult, doch hat es mir trotzdem sehr gut getan zu wissen, dass ich nicht alleine für sie bete. Oft habe ich ihr in dieser Zeit die Hände aufgelegt und Gott gebeten, er möge sie doch einfach wieder gesund machen, ich bin neben ihrem Bett gekniet, hab geweint und gebetet und hab mir einfach überhaupt nicht vorstellen können, was nun werden wird, was das überhaupt für eine Krankheit ist und überhaupt nichts.

Nach diesem Wochenende wurden die Untersuchungen fortgesetzt. Eine Harnuntersuchung ergab, dass Maria nicht MPS hat. Mein Jubel wäre groß gewesen, wenn ich nicht inzwischen längst auch selbst aktiv geworden wäre. Ich hatte beim ORF angerufen und mich erkundigt, ob es eine Kontaktadresse für MPS gäbe, eine Selbsthilfegruppe oder so was. „Mukopolysaccharidose, eine Krankheit, die noch im Kindesalter zu Tod führt“,“ meinen Sie das?“, hatte mich der Herr am Telefon gefragt. Ja leider, das meinte ich, und so bekam ich die Nummer von Marion Kraft. Und da war ich goldrichtig! „Über diese Krankheit weiß ich alles!“ sagte sie, und ich erzählte ihr von Maria. Sie wollte keine Ferndiagnose stellen, doch sie sagte mir gleich, dass die schlimmsten Formen von MPS ausfallen würden, Maria würde keinen Hirnschaden bekommen und sie würde auch nicht gleich sterben. Sie würde in die Schule gehen können. Wahrscheinlich hätte sie Typ IV, morquio, und das seien unheimlich liebe Kinder, ganz entzückende Kinder, sehr intelligente Kinder und ich würde noch eine wahnsinnige Freude mit diesem Kind haben. Gut. Dass Maria unheimlich lieb und entzückend war, das war nicht abzustreiten, das hatte ich schon immer gewusst, sie war auch auffallend gescheit, eine wahnsinnige Freude hatte ich auch schon immer mit ihr, denn sie war einfach von Anfang an irgendwie etwas ganz besonderes, dazu musste sie doch nicht extra krank sein.

Ich wollte Information, ich wollte was wissen, ich konnte es nicht aushalten, nicht über diese Krankheit Bescheid zu wissen. Marion erwähnte im Gespräch das Buch von Frau Dr. Susanne Fang-Kircher, und ich kaufte es sofort. Ich verschlang es förmlich mit steigendem Entsetzen, mir wurde fast schlecht als ich die Fotos von den von der Krankheit so schwer gezeichneten Kindern sah und ich dachte immer nur: NEIN. Doch als ich die Beschreibung von Typ IV gelesen hatte, da wusste ich : JA. In jedem Satz habe ich irgendwie Maria entdeckt und ich war mir auf einmal sicher, dass auch sie ein MPS-Kind war.

Frau Dr. Fang-Kircher sagte mir dann, wie die Harnuntersuchung zu machen sei, dass die typischen Ausscheidungen nämlich nur mit einem 24 Stunden-Harn nachzuweisen wären, und als wir das dann ausprobierten, da war die Diagnose positiv. Es folgte dann noch die Hautstanze und im Oktober 1996 bekamen wir die Diagnose schriftlich: MPS IV a.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon auf unserem ersten MPS-Familientreffen gewesen, und ich durfte viele von euch kennen lernen. Es war zwar kein Typ IV-Kind da, doch habe ich Benedikt Lika auf einem Film gesehen. Ich kannte ihn schon von Erzählungen und von einem entzückendem Foto, auf welchem er 9 Jahre alt war. Er war inzwischen 12 und saß im Rollstuhl. So schnell schreitet die Krankheit also voran? Diese Erkenntnis tat mir so weh, dass ich nicht mehr wusste, was ich denken oder tun sollte. „Nein, nein, nicht Maria, bitte nicht meine Maria“ weinte ich vor mich hin und ich flehte Gott an, diese verfluchte Krankheit zu stoppen. Mein großes Glück war, dass ich Benedikt knapp 3 Monate später persönlich kennen lernen durfte, als er auf einer Benefizveranstaltung gesungen hat. Es war ein Zufall, und ich bin noch jetzt sehr dankbar dafür. Als ich von dort nach Hause fuhr, da sah die Welt für mich ganz anders aus, und ich sagte: „Wenn unsere Maria so wird wie Benedikt, dann ist alles gut. Ich hatte ihn einfach so lieb und so lustig und so voller Lebensfreude getroffen, dass ich nun nicht mehr befürchtete, dass sich das bei Maria ändern würde. Sie ist von Anfang an ein wahrer Sonnenschein gewesen, und seit ich Benedikt kenne, kann ich auch glauben, dass sie ein Sonnenschein bleibt.

Natürlich habe ich Angst vor der Zeit, wo sie mit ihrer Krankheit kämpfen wird, wo sie vielleicht ihre ersten schmerzlichen Erfahrungen machen wird, aber ich bin überzeugt, dass sie es sehr gut meistern wird, das sieht man schon jetzt.

Seit zwei Jahren geht sie mit dem größten Vergnügen in den Kindergarten. Die beiden Kindergärtnerinnen sind begeistert von ihrem Selbstbewusstsein und sie sind der Meinung, dass sie eine so starke Persönlichkeit hat, dass sie sicherlich nie Schwierigkeiten haben wird, von anderen Kindern akzeptiert zu werden. Ihre Kameraden im Kindergarten lieben sie heiß, sie sammeln sämtliche Zeitungsberichte mit Fotos von Maria und sind stolz darauf, sie zu besitzen.

In der Zeitung war sie jetzt wirklich relativ oft zu sehen, die Operation in Manchester hat doch einiges Aufsehen erregt und so hat sie für die MPS-Gesellschaft ein gutes Stück Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Ich habe es schon kurz erwähnt, Maria fehlt in der Halswirbelsäule der Zapfen, auf welchem der erste Wirbel normalerweise verankert ist. Das ist die mit Abstand gefährlichste Veränderung in ihrem Skelett, denn es drohte eine Querschnittslähmung. Schon ein einfacher Sturz hätte angeblich genügt!

Zum Glück gibt es unsere Selbsthilfegruppe und zum Glück arbeiten wir international so toll zusammen. Wir hätten sonst keine Ahnung davon gehabt. So war es kein Problem: Christine Lavery informierte Frau Dr. Fang-Kircher und Marion Kraft, diese informierten mich. Ich sollte sie schnellstens operieren lassen hieß es plötzlich, ich war schon ziemlich hochschwanger. War das eine Aufregung, war das ein Schock! Ich hatte erst in 5-6 Jahren damit gerechnet. Naja, ich wollte ein wenig warten und zuerst in Ruhe mein Baby bekommen. Aber im September flogen wir dann zum ersten Mal nach England, um Maria von Dr. Ed Wraith untersuchen zu lassen. Er betrachtete die Röntgenbilder und meinte, die Operation müsse spätestens in einem halben Jahr gemacht sein. Bis dahin soll sie nicht zusammenfallen, soll nirgends hinaufklettern und schon gar nicht dürfte sie wer umstoßen.

Na bravo! Und das bei Maria, die ein Leben hat für drei! Das war unmöglich! Ich konnte mir jetzt nicht mehr vorstellen lange zu warten, flog nach Hause und durchsuchte meinen Mondkalender nach günstigen Operationsterminen. Es fanden sich drei sehr gute Freitage – Dr. Cowie operiert nur freitags -, ein paar weniger gute und zwei ganz schlechte. Ich schrieb sofort einen Brief an Dr. Wraith und bat um einen der guten Termine. Einen Monat später erhielt ich die Antwort: Wir hatten einen sehr guten Termin bekommen. Ich war sehr froh zu wissen, dass der Tag optimal war, es war der 28.November 1997, aber ich war noch mehr froh zu wissen, dass zu Hause alle meine Freunde für Maria beteten. Das gab mir sehr viel Kraft und ich fühlte mich so doch nicht ganz so alleine in England, im Krankenhaus, vor dem Operationssaal. Pepi musste zu Hause bleiben, da wir ja Anna nicht alleine lassen konnten. Es ist schrecklich in so einer Situation ganz alleine dazustehen. Ich hatte furchtbare Angst und fühlte mich wie Abraham persönlich, als ich Maria auf den Op-Tisch legte, sie die Narkose bekam und ich dann mit den Worten „now give her a kiss and go away“ hinausgeschickt wurde. Von Herzen dankbar war ich deshalb Mary von der englischen mps-society, die mir in diesen Stunden Beistand geleistet hat und meinem kleinen Sohn Paul, an dem ich mich gewissermaßen festhielt.

 Die Operation dauerte 3 Stunden. Dr. Cowie schnitt ein Stück Knochen aus dem Hinterhauptbein und verband damit die ersten beidenWirbel. Es stellte sich erst bei der Operation heraus, wie viele Wirbel er miteinander verbinden müsste und ob er auch eine Verbindung zum Schädelknochen herstellen müsste. Das war glücklicherweise nicht der Fall, und so blieb Maria die Bewegungsfreiheit des Kopfes fast vollkommen erhalten. Die Operation war ein Totalerfolg! Maria erholte sich zum Erstaunen aller wahnsinnig schnell, schon am vierten Tag saß sie im Bett und malte, schmerzstillende Mittel bekam sie nur drei Tage lang. Als sie sich zum ersten Mal im Spiegel sah, da strahlte sie und sagte: „Gell Mami, schön bin ich mit dem Heiligenschein!“ Ja, so war unser kleiner Engel nun perfekt. Sie hatte sogar einen Heiligenschein. Vier Monate lang trug sie dieses Ding tapfer, geduldig und fröhlich. Wir konnten uns nur wundern wie sie das aushielt, denn es war wirklich nicht leicht. Sie steckte in diesem Ding fest, konnte sich kaum bewegen, aber sie lachte.

Wir mussten in jeder Beziehung kreativ werden. Baden war nicht möglich, es gab daher ein Fußbad in der Dusche. Haare waschen war das reinste Abenteuer. Ein Problem war das Anziehen. Wir mussten alles irgendwie von unten einfädeln. Dazu habe ich ein paar Kleidungsstücke speziell zerschnitten und mit Klettverschluss ausgerüstet. Für draußen nähte ich einen Heiligenschein-Mantel. Es ist uns auch gelungen, Faschingskostüme zu finden. Meistens war sie Astronaut oder Indianer.

Fast zwei Monate blieb Maria zu Hause und ich bemühte mich zusammen mit Anna, die mir dabei immer eine wahnsinnig große Hilfe ist, sie gut zu unterhalten. So verging denn die Zeit mit mehrmals täglich Schrauben putzen und wöchentlichem Schrauben nachziehen, viel spielen, anziehen, ausziehen,…doch relativ schnell und schon waren wir wieder in Manchester um das „halo“ entfernen zu lassen.

Maria hat sich wahnsinnig gefreut auf das Krankenhaus, nicht nur, weil sie den Heiligenschein nach 4 Monaten wieder los wurde, sondern weil sie überhaupt keine negativen Erinnerungen hatte. Der Zeitpunkt der Operation war anscheinend mit diesem Alter sehr gut gewählt, und das Krankenhaus, von dem ich anfangs so entsetzt war, weil wir in einem Saal mit 22 Betten lagen und weil auch sonst manches ganz anders ist als hier bei uns in Österreich, dieses Krankenhaus, ist für Kinder einfach ein Erlebnis. Es ist wie ein Wohnzimmer in Turnsaalgröße mit 10 Videorekordern und zwei Videospielen, die bis 10 Uhr abends auf Hochtouren laufen, Spielsachen über Spielsachen und vielen Kindern, immer was zu sehen, nie langweilig. Natürlich auch nie Ruhe. Aber das war eher mein Problem.

Maria weiß über ihre Krankheit Bescheid, ich habe ihr von Anfang an nichts verheimlicht, weil ich denke es wäre furchtbar für sie, eines Tages zu entdecken, dass ich sie belogen hätte. Sie weiß, warum ihr beim vielen Laufen die Füße weh tun, sie weiß, dass sie sehr klein bleiben wird, und ich glaube, sie beginnt auch schon, es zu begreifen. Ich habe dazu länger gebraucht. Wenn sie nicht mehr gehen wollte und über ihre Füße jammerte, da hab ich zunächst gedacht, ich hätte sie mit dem Tragetuch zu sehr verwöhnt .

Was mich am Morbus Morquio am meisten schockiert hat, das war die zu erwartende Körpergröße. Meine spontane Reaktion war : „Mit einer Größe von 100 cm kann sie ja gar nicht leben. Nicht alleine leben. Sie wird mich immer brauchen. Und was macht sie, wenn ich nicht mehr da bin?“ Da war mir Frau Dr. Fang-Kircher eine wirklich große Hilfe. Schon bei unserem ersten Gespräch darüber konnte sie mich sehr beruhigen. Sie erzählte mir von Heiderose aus Deutschland, die mit dieser Größe sehr wohl alleine lebt, und sie sagte, Maria würde wahrscheinlich selbständiger werden, als es mir lieb sei. Wer Maria kennt, der weiß, dass sie damit sicher recht hat. Außerdem würde sie, wenn sie auch nach Zentimetern die Kleinste sein wird, in ihrer Klasse immer die Größte sein, weil sie einfach was Besonderes ist.
Ja sie ist eine kleine Prinzessin und für uns eine große Herausforderung. Sie fordert viel Kraft, Geduld und Ausdauer und vor allem Liebe. Wir geben ihr auch unsere ganze Liebe und sie gibt uns diese Liebe sicher tausendfach zurück.

Unser Engel trägt ihre Krankheit tapfer und gelassen. Manchmal stellt sie mir schwierige Fragen und ich fürchte mich davor. Fast alle ihre Fragen betreffen das Wachstum und so glaube ich doch, dass es ihr weh tut, klein zu bleiben. Natürlich möchte sie auch so groß werden wie Anna, natürlich möchte sie auch eis laufen und rad fahren und was sonst noch alles lustig ist. Ich bemühe mich dann, ihr möglichst einfache, aber richtige Antworten zu geben. Ich sage ihr auch, dass ich nicht weiß, warum sie dieses Schicksal tragen muss, dass es aber der liebe Gott weiß, und dass er sie genauso wahnsinnig lieb hat wie die großen Kinder, dass er für sie wahrscheinlich eine ganz besondere Aufgabe hat. Sie ist dann zufrieden und spielt und singt und tanzt weiter. Lustig ist sie jedenfalls immer. Und sehr einfallsreich:
Als ich ihr einmal sagte, dass ihr Bruder vielleicht so groß werden würde wie ihr Papa, da freute sie sich und hüpfte durch das Zimmer: „Super, da kann er mich dann immer herumtragen!“

Und wenn ich Maria beobachte, beim Spiel mit ihren Freunden, die ihr alle über den Kopf wachsen, während sie klein bleibt und sich ihr Körper zunehmend verformt, wenn ich ihr zusehe beim Schwimmen, beim Essen, wenn sie mit unseren Tieren spielt, oder wenn sie sich von ihrem Papi herumtragen lässt, dann tut mir das Herz weh und ich bete immer wieder, manchmal um ein Wunder, manchmal um die Kraft, das alles gut mit ihr durchzustehen, manchmal um die Zeit, um immer für sie da zu sein. Und ich danke Gott jedes Mal für die Gnade neben Maria auch zwei gesunde Kinder geschenkt bekommen zu haben.

Schön finde ich den Vers aus Psalm 41: „Auf dem Krankenbett wird der Herr ihn stärken,
seine Krankheit verwandelst du in Kraft.“

Michaela W., im April 1998

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