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Kind mit MPS II

Diagnose

Nachweis im Urin

Die einfachste Form, eine MPS nachzuweisen, ist die Messung der im Urin ausgeschiedenen Glykosaminoglykane (=Mukopolysaccharide). Ein 24-Stunden-Harn (!) wird auf erhöhte Mukopolysaccharid-Ausscheidung untersucht.
Ist die Ausscheidung erhöht, so muss eine weitere Differenzierung mittels Elektrophorese erfolgen. Dabei werden die Mukopolysaccharid-Ausscheidungen qualitativ in ihre Einzelfraktionen (Chondroitinsulfat, Dermatansulfat, Heparansulfat, Keratansulfat) aufgetrennt. Dann erst kann man erkennen, um welche Form der MPS es sich möglicherweise handelt.

Dass bei mehreren Mukopolysaccharidosen vermehrt Heparansulfat und Dermatansulfat ausgeschieden wird, macht es oft schwierig, nur mittels eines Trennverfahrens zwischen einer MPS I, MPS II, MPS VI und MPS VII zu unterscheiden. Deshalb kann bei der Screening-Untersuchung nur eine vorläufige Einordnung des vorliegenden Krankheitsbildes in einer der verschiedenen Formen der MPS gemacht werden.

MPS-Typ Ausscheidung
MPS I (M. Hurler) Dermatan-/Heparansulfat
MPS I (M. Hurler-Scheie) Dermatan-/Heparansulfat
MPS I (M. Scheie) Dermatan-/Heparansulfat
MPS II (M. Hunter) Dermatan-/Heparansulfat
MPS III A,B, C, D (M. Sanfilippo) Heparan-/ Chondroitinsulfat
MPS IV  A,B (M. Morquio) Keratan-/Chondroitinsulfat
MPS VI (M. Maroteaux-Lamy) Dermatan-/Heparansulfat
MPS VII (M. Sly) Dermatan-/Heparan-/Chondroitinsulfat
Bei klinisch begründetem Verdacht ist auch in Fällen mit einem negativen Urinbefund ein Enzymnachweis unbedingt zu veranlassen, da im Rahmen der Diagnostik die Klinik dem Urinbefund gegenüber eindeutig vorrangig ist.

Nachweis des Enzymdefektes

Eine definitive Diagnose ist erst durch den Nachweis des Enzymdefektes möglich. Dieser kann aus Serum, Leukozyten oder in der Gewebekultur gezüchteten Hautzellen („Fibroblasten“) erbracht werden.

Für die Untersuchung aus Blutzellen muss man dem Patienten Blut abnehmen und die Zellen daraus isolieren. Das geht schnell, und man kann daraus Enzymbestimmungen und Genanalysen durchführen. Allerdings ist die Materialmenge begrenzt und man kann nicht sehr viele Untersuchungen machen.

Sollte es notwendig sein, mehrere Unterformen der MPS auszuschließen, ist die Entnahme einer Hautstanze mit nachfolgender Fibroblastenkultur empfehlenswert. Das Anzüchten dauert mehrere Wochen, eine Befundung ist deshalb erst nach längerer Zeit möglich. Die Anzahl der Zellen wird auf die erforderliche Menge vermehrt und kann danach in flüssigem Stickstoff tiefgefroren und aufbewahrt werden. Das hat den Vorteil, dass man jederzeit wieder darauf zurückgreifen kann.

Nach ein paar Wochen lassen sich so alle Formen der MPS durch Enzymbestimmungen exakt diagnostizieren. Es sind praktisch unbegrenzte Möglichkeiten für Enzymbestimmungen, molekulargenetische Untersuchungen gegeben. Dies könnte notwendig sein, wenn eine neuerliche Schwangerschaft im Hinblick auf eine MPS untersucht werden soll.

Pränatale Diagnose

Wer schon ein Kind mit einer MPS hat, kann weitere Schwangerschaften auf das Vorliegen der Krankheit abklären lassen.

In der genetischen Beratung wird zunächst der Vererbungsmodus dargelegt werden. Dann wird man auf die Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik hinweisen; dafür stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung:

  1. Die Chorion-Biopsie (Gewebsentnahme aus der Plazenta über die Scheide) soll etwa in der 11.SSW durchgeführt werden. Im Gewebe kann dann das entsprechende Enzym oder die Mutationen, die beim Index-Patienten gefunden wurden, direkt untersucht werden. Vorteil der Methode ist ein relativ rascher Befund, Nachteil das erhöhte Risiko für einen Abort (1%) und eine ev. notwendige Wiederholung der Untersuchung bei unklarem Befund.
  2. Die Amniozentese (Entnahme von Fruchtwasser durch die Bauchdecke) wird etwa in der 15. SSW durchgeführt. Das Fruchtwasser enthält kindliche Hautzellen, die kultiviert werden und damit für weitere Analysen zur Verfügung stehen. Nachteil dieser Methode ist, dass das Anzüchten einige Wochen dauert. Sofern beim Index-Patienten eine Mutationsanalyse gemacht wurde, kann in den fetalen Zellen nach dieser Mutation gesucht werden, was innerhalb weniger Tage möglich ist.

Eine Unterbrechung der Schwangerschaft ist nach derzeitiger Rechtssprechung möglich, die Entscheidung dazu obliegt aber den Eltern. Es wäre dringend zu raten, die Problematik, die eine pränatale Diagnose mit sich bringt, schon vor einer weiteren Schwangerschaft zu bedenken.

Überträgerdiagnose

Beispiel: autosomal rezessiv vererbte MPS

Für alle Familienuntersuchungen werden von jedem der Familienmitglieder ca. 10 ml EDTA-Vollblut benötigt.

Um eine Überträgerdiagnose durchführen zu können, muss zuvor bei dem erkrankten Familienmitglied (=Indexpatient) eine „Mutationsanalyse“ durchgeführt worden sein. Dabei definiert man mit molekular-genetischen Methoden welcher „Druckfehler“ (Mutation) im genetischen Material vorliegt.

Während es für häufige Mutationen einfache Nachweisverfahren gibt, kann der Nachweis seltener Mutationen wesentlich aufwendiger werden und in Extremfällen zu einer, manchmal monatelangen Suche nach „der Nadel im Heuhaufen“ geraten.
Die Mutationsanalyse beim Indexpatienten wird mit Hilfe kultivierter Hautzellen durchgeführt.

Wenn man die Mutationen des Indexpatienten (erkranktes Familienmitglied) kennt, kann man mit Sicherheit feststellen, welche der Familienmitglieder Überträger sind, da anzunehmen ist, dass in einer Familie nur die Mutationen auftreten, die auch beim Indexpatienten vorhanden waren. Verwandte, die keine der Mutationen des Indexpatienten tragen, haben definitiv kein Risiko, ein an MPS erkranktes Kind zu bekommen.

Verwandte, die eine der Mutationen des Indexpatienten tragen, müssten um das Risiko sicher abschätzen zu können, untersuchen, ob auch ihr Ehepartner Überträger ist. Dies ist allerdings nur mit unvertretbarem Aufwand möglich, da man hier ja mit 100% Sicherheit ausschließen müsste, dass weder eine häufige noch irgendeine seltene Mutation vorliegt – und das bedeutet wiederum die oben beschriebene Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“. Beschränkt man sich auf die häufigen Mutationen, die bei MPS I z.B. in cirka 60% aller betroffenen Familien vorkommen, riskiert man eine falsche Prognose, wenn der Ehepartner zufällig doch eine der selteneren Mutation tragen sollte.

Labordiagnose von Mukopolysaccharidosen

Ao.Univ.-Prof.Priv.Doz.Mag.Dr.rer.nat. Werner Windischhofer und Dr. Marion Tschernutter

Die klinische Diagnostik angeborener lysosomaler Stoffwechselerkrankungen ist ein sehr komplexer Prozess, da Symptomatik und Verlaufsformen der meisten Erkrankungen sehr heterogen sind. Eine zuverlässige Aussage über den spezifischen Stoffwechseldefekt nur auf Basis des klinischen Erscheinungsbildes ist deshalb bei vielen Erkrankungen schwer möglich. Daher werden im Laborbereich zahlreiche biochemische, zellbiologische und molekulargenetische Untersuchungen mit dem Ziel durchgeführt, möglichst frühzeitig aussagekräftige Labordaten für eine zutreffende klinische Diagnose zur Verfügung zu stellen, damit auch rasch adäquate Therapien eingeleitet werden können.

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