fbpx
Maria, unsere zweitälteste Tochter, ist bedingt durch ihre Erbkrankheit MPS (Mukopoly-Saccharidose) kleinwüchsig. Sie ist mit ihren 10 Jahren ca. 95 cm groß. Außerdem ist sie auch nicht sehr kräftig und nicht so toll zu Fuß.

Für ihre Mobilität ist ein Fahrrad beinahe lebenswichtig. Es gibt zwar spezielle Therapie- bzw. Behinderten-Fahrräder von diversen Herstellern, die Ausstattung dieser Fahrräder entspricht teilweise aber nicht dem Stand der Technik! Und auch der Preis ist je nach Hersteller unverhältnismäßig hoch. Des weiteren sind diese Räder halt mehr oder weniger typische „Behinderten-Fahrräder“. Und ein junges Mädchen wie Maria wünscht sich auch ein „cooles“ Fahrrad, nachdem sich so mancher umdreht, bzw. neugierig fragt.

Bisher hatte Maria solch ein spezielles Therapierad, mit dem sie alleine nur sehr kurze Strecken ohne jegliche Steigung zurücklegen konnte. Weder die 3-Gang Schaltung noch die Bremsen sind für sie bei diesem Rad gut bedienbar. Sie kann damit keine Steigungen hinauf oder hinunter fahren. Außerdem sind Radtouren mit dieser Art von Rädern absolut nicht möglich, nachdem ein „Schleppbetrieb“ nicht gemacht werden kann. Um auch Radtouren zu unternehmen, verwendeten wir ein zweites normales Kinderrad im reinen Schleppbetrieb, siehe Bild. Damit konnte Maria aber nicht alleine fahren!

Unsere Idee war nun, ein cooles handelsübliches Fahrrad so umzubauen bzw. aufzurüsten, dass es den Ansprüchen unserer Maria optimal entspricht. In unserem Fall bekam Marias Bruder Paul das gleiche, nicht umgebaute Fahrrad, siehe nebenstehendes Bild

Die notwendigen Umrüst-Komponenten in unserem Fall waren nun folgende:

1. Leichtgängige Bremsen: Normale Bremsen, auch s.g. V-Brakes sind für die schwachen Hände von Maria viel zu schwergängig!

Unsere Wahl fiel auf hydraulische Felgenbremsen, weil diese mit dem geringsten Kraftaufwand die beste Bremswirkung zeigen und sehr vielseitig einzustellen sind. So ist es z.B. möglich den Bremshebel ganz nahe zum Griff zu stellen, womit auch Maria mit ihren kleinen Händen die Bremsen gut erreichen und bedienen kann.

2. Leichtgängige Schaltung: Auch die handelsüblichen Mehrgangschaltungen wie z.B. Drehgriff sind für Marias schwache Hände viel zu schwer zu bedienen.

Wir entschieden uns für ein Automatikgetriebe, um Maria die Bedienung zu vereinfachen. Sie braucht sich damit nicht mehr um den richtigen Gang zu kümmern, dies erledigt für sie die Elektronik. Dieses Getriebe ist außerdem auch manuell mit elektrischen Tasten zu bedienen, wodurch der Kraftaufwand sehr klein ist. Das Automatikgetriebe, welches in einigen normalen Fahrrädern für Erwachsene verwendet wird, ist keine normale Handelsware, es wird eigentlich nur an Erstausrüster (also Fahrradhersteller) geliefert. Es konnte aber doch als Ersatzteil bezogen werden.

3. Hilfsmotor. Um auch größere Strecken, bzw. Steigungen bewältigen zu können, ist ein Hilfsmotor sinnvoll.

Es kam ein relativ kleiner Radnabenmotor der Firma Schachner mit 390W, welcher als Nachrüstsatz erhältlich ist, zum Einsatz. Dieser ermöglicht mit dem mitgelieferten Akku eine Reichweite von knapp über 20km, womit mittlere Radtouren möglich werden

4. Stützräder: Zur sicheren Fahrt und zum Auf- und Absteigen sind Stützräder notwendig Diese sollen zur Verwendung einer „Schleppstange“ abnehmbar sein.

Erste Radtour, noch mit den kleinen Stützrädern

Im ersten Anlauf wurden käufliche Stützräder vom Hersteller der Schleppstange verwendet. Diese sind mit einer Knebelschraube an der Radachse befestigt und können somit leicht demontiert werden, wenn das Kinderrad geschleppt werden soll.

Wir fanden in Herrn Banhuber von der Firma Intersport Eybl / Wels einen idealen Partner zur Verwirklichung des Fahrrades. Auch ihm war es ein persönliches Bedürfnis, Maria ein passendes Fahrrad zu bauen. Er brachte nicht nur sein Fachwissen, sondern auch tolle Ideen ein.

Nach relativ kurzer Zeit konnte Maria dann ihr neues Fahrrad in Empfang nehmen. Nach der Probefahrt in und um das Geschäft ging’s nach St. Wolfgang bzw. zum Offensee zur ersten ausgedehnten „Radtour“. Dabei stellte sich die erste Schwachstelle heraus. Die verwendeten hochklappbaren Stützräder waren einerseits trotz zusätzlicher Versteifung zu schwach und lockerten bzw. lösten sich. Andererseits waren diese Stützräder zu klein, d.h. das Fahrrad konnte viel zu leicht kippen.

Also war eine Neukonstruktion der Stützräder notwendig. Auch hier war wieder Herr Banhuber aufgrund seiner guten Beziehungen der ideale Partner. Letztendlich verwendeten wir leicht erhältliche kugelgelagerte Ersatzräder eines Kinderwagens. Der Rest ist Eigenkonstruktion und –bau, siehe nebenstehendes Bild

Somit waren endlich auch Radtouren im unwegsamen Gelände möglich. Bedingt durch diese stabile Konstruktion sind die Stützräder für den Schleppbetrieb, wenn also das Kinderrad geschleppt wird, nur mehr mit Werkzeug demontierbar, und dann relativ schwer zu verstauen.

Nach etwa 4 Wochen hatten wir dann einen „Totalausfall“. Mitten auf einer kleinen Radtour auf der Insel Usedom fiel die Motorelektrik komplett aus. Maria wurde dann nachhause „geschleppt“

Der Grund dieses Ausfalls war die Verdrahtung des Akkus, dünne Lötfahnen sind durch die Erschütterungen des Fahrbetriebs gebrochen. Wir konnten dies dann zuhause selbst reparieren, sonst wäre die hohe Mobilität von Maria bis zur Rückkehr nach Österreich wieder verloren gewesen.

Mit diesen Fahrrad ist Maria nun selbstständiger, ihre Lebensqualität ist dadurch gestiegen. Sie kann damit schon mal alleine etwas unternehmen, wie z.B. bei ihrer Kur auf Usedom fährt sie auch alleine zum Strand. Außerdem macht sie damit auch Bewegungstherapie, welche ihr Spaß macht. Um mit Unterstützung des Hilfsmotors schneller zu fahren, muss Maria nämlich mittreten, der Motor dient nur als Unterstützung beim Fahren und Anfahren.

Dieser Weg, ein normales Fahrrad nach Wunsch, aufgerüstet mit den notwendigen Komponenten, ist prinzipiell für jedes andere besondere Kind, aber auch für besondere Erwachsene gangbar und sinnvoll, nachdem mehr oder weniger handelsübliche Fahrradteile Verwendung finden. Abhängig von der Größe bzw. dem Grad der Behinderung sind dann individuell die passenden Komponenten zu wählen.

Für nähere Informationen, Kontaktvermittlung und Hilfestellung stehen wir gerne zur Verfügung.

Es wären zukünftig durchaus auch noch weitere Detail-Verbesserungen möglich, wie z.B.

  1. Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle statt Akkus für wesentlich vergrößerte Reichweite
  2. Stärkerer und leichterer Akku (z.B. NiMH oder Lithium-Ionen)
  3. Leichter demontierbare Stützräder für den Schleppbetrieb
  4. Elektrische Bremsen mit Bremsenergie-Rückgewinnung

Ein Bericht von Dipl.-Ing. Martin W.

altruja logo --